Ein Anfang in Armut

Ein Anfang in Armut  –  Zur Frühgeschichte der Höhendörfer

Die Höhendörfer feiern am 03. und. 04. Aug. ein großes Jubiläum

Ehemalige Post- und Zollstation Dienst in Hoheleye

Ehemalige Post- und Zollstation Dienst in Hoheleye

Neuastenberg um 1910

Neuastenberg um 1910

(v.l.)Haus Gerke-Franzes, Drechslerei Guntermann, Bildmitte das wohl älteste Haus Nr. 1 „Dohle-Jostes“, (re.) Haus Schmalen-Stoffels.

(v.l.)Haus Gerke-Franzes, Drechslerei Guntermann, Bildmitte das wohl älteste Haus Nr. 1 „Dohle-Jostes“, (re.) Haus Schmalen-Stoffels.

Mollseifen

Mollseifen

Von alters her erzählt man sich hier die Geschichte des Handelsmannes aus den Höhendörfern, der 1492 dem gerade auf dem Neuen Kontinent gelandeten Columbus selbstgefertigte Hosenträger verkaufen wollte. Diese Geschichte bringt die wissenschaftlichen Vertreter der Heimatgeschichte in einige Schwierigkeiten, denn :

Wie wir alle spätestens dieses Jahr unausweichlich erfahren, begann die Existenz der Höhendörfer doch nicht Ende des 15. Jahrhunderts, sondern eben erst mit der Ansiedlung der Höhendörfer durch Graf Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg um 1713!? Richtig ist allerdings, dass die Vorgeschichte dieser Ansiedlung im engeren Sinne ebenfalls ihren Anfang Ende des 15. Jahrhunderts nahm. Zu dieser Zeit, genauer 1484 und dann 1521, nahm das Wittgensteiner Grafenhaus eine Politik der Arrondierung seines Herrschaftsgebietes auf – mit langem Atem und schließlich erfolgreich, wie sich zeigen sollte. Der Anspruch bezog sich u.a. auf die waldreiche Hochebene des Rothaarkammes. Der immer wieder aufbrechende Widerstand des zu Kurköln gehörigen Winterberg beschränkte sich weitgehend auf direkte, kleinere Plänkeleien, die umgehende Zerschlagung Wittgensteinischer Zollstöcke und Schlagbäume. Man stritt oft um Viehweiden, Heuplätze, etc.. Die Grenzen waren oft ungenau beschrieben und die Grenzzeichen waren leicht zu beseitigen. Auch die Bezeichnungen ‚Zwistberg‘, ‚Zwistkopf‘ und ‚Zwistmühle‘ geben ein Indiz für diese Streitigkeiten ab. Dieser lange bis ins 18. Jahrhundert schwelende, weil unentschieden bleibende Territorialkonflikt ist bekannt als der ‚Winterberger Streit‘. Seine Basis war das beiderseitige Interesse an der Nutzung der Waldregion; ein Grund für seine Dauer war das in rechtlicher Hinsicht argumentative Patt:   Während Wittgenstein sich auf das ’schon immer‘ wahrgenommene Jagdrecht berufen konnte, reklamierte Winterberg das Gewohnheitsrecht der Holznutzung für sich.

Dann 1713, die entscheidende Wende:   Mit der Ersterwähnung des ‚großen Dorfes“ (‚Niggerduarp‘) setzte der Wittgensteiner Graf Casimir eine vollendete Tatsache, das seinerseits zu einem Rechtsfaktor wurde. In dem Kanonbrief vom 30. Juli 1713 bezeugt der Graf, dass er den namentlich aufgeführten 14 Aspiranten „auf ihr unterthäniges Suchen gnädig erlaubt“, sich unter seinem Schutz auf dem Astenberg anzusiedeln, „zu bauen und Güter in den ihnen von Unserem zeitigen Oberförster anzuweisenden Distrikten einzuräumen, selbige in Bau und Besserung zu bringen und demnächst nach ihrem besten Können und Wissen zu nützen und zu gebrauchen“. In dieser Zeit erfolgte auch die Besiedlung von Mollseifen, Langewiese und Hoheleye. Alles eine bemerkenswert forsche Aktion, da sich die ‚Gnade‘ auf eine Region bezog, deren Zugehörigkeit ja seit Jahrhunderten und immer noch ungeklärt war. Die Vorteile lagen eindeutig bei dem Grafen:  Er gewann mit einem Schlag eine Handvoll neuer Untertanen – aber Tendenz steigend; nach einer Karenzzeit von sechs Jahren waren (zunächst bescheidene) Steuerzahlungen (Kanon) zu erwarten – aber Tendenz steigend; das Land wurde allererst urbar gemacht; und nicht zuletzt konnte er darauf vertrauen, dass mit dem factum brutum der Besiedlung ein neues Gewohnheitsrecht in Kraft getreten war, welches die Waagschale in dem alten Streit zu seinen Gunsten ausschlagen lassen würde.

Doch erst 1736 richtete sich eine Winterberger Klage an den Kurfürsten und Erzbischof von Köln, zugleich Herzog von Westfalen, mit dem Inhalt, ‚dass die Grafen ihre Grenze mit jeder Begehung ein Stück ins westfälische Gebiet (Waldgebiet) verschöben‘. Da wieder fast ein halbes Jahrhundert verging, bis eine gütliche Einigung erzielt wurde (1783; die Ratifizierung 1805), scheint es naheliegend, dass nunmehr ein Befund über die Zugehörigkeit nicht gerade als höchste Priorität angesehen wurde. Wie überhaupt die großzügige Haltung des angrenzenden Kurköln anzeigt, dass man dort die Wertigkeit dieses Landstreifens und des Konfliktes nie allzu hoch einschätzte.

Wer aber waren die 14 Pioniere, denen andere folgten, die ausgerechnet hier, in einer unwirtlichen Gegend, in einem herben Klima, ein neues Leben für sich und ihre Familien erhofften? Ihre Namen:   Gabriel Brinkmann, Elias Gelsenbaum, Heinrich Deutsch, Hans Georg Hoffmann, Tonies Schauerte, Ludwig Hunold, Dietrich Schmidt, Johannes Sauer, Jost Steinhaus, Johannes Weinheim, Johann Hunold, Andreas Sauer, Ebert Deutsch und Johannes Schäfer  –  manche Blutlinien reichen bis in die Gegenwart. Dem Leitmotiv folgend ‚Etwas Besseres als den Tod findest du überall‘, hatten sie das Elend der Täler ihrer sauerländischen oder hessischen Heimat hinter sich gelassen, um auf der Höhe wenn schon kein Eigentum – das Land blieb im Besitz von Wittgenstein – so doch eine eigenständige Existenz zu erlangen; ihre unterschiedliche Herkunft kommt auch in den unterschiedlichen Konfessionen und Mundarten zum Ausdruck. Doch die Armut blieb. Die ersten Behausungen wurden aus den Materialien der zuhandenen Natur erstellt:   Holz, Bruchsteine, Lehm für den Fußboden, das Dach aus Stroh (Erst spät, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurden Strohdächer wegen der notorischen Brandgefahr verboten und durch Schiefer ersetzt.) Nur eine Haupttätigkeit allein, ob als Waldarbeiter, Köhler oder Bauer, genügte nicht, um das Leben einer Familie zu sichern. In den langen, schneereichen Wintern, abgeschnitten von der Außenwelt, verlegte man sich deshalb auf Heimarbeit, vornehmlich Holzschnitzereien (Löffel und Schüsseln), zu deren Verkauf man sich dann, wenn die Verkehrswege es wieder zuließen, in die Ferne aufmachte.

Nicht nur wegen der gemeinsamen Besiedlung des Rothaarkammes haben die vier Höhendörfer eine gemeinsame Geschichte sondern auch und gerade aufgrund ihrer Hausindustrie und dem Hausierhandel mit Holzwaren.  Obwohl die Holzschnitzer und -drechsler in äußerster Armut lebten, wurde diese Erwerbsquelle bis 1830 beibehalten, bevor die Händler ihr Sortiment mehr und mehr auf Eisenwaren (Sensen, Sichten, Sicheln, u.a.) umstellten. Hauptabsatzgebiet war fast schon traditionell –die Niederlande. Für die Höhendörfer mit großem Waldbesitz war außerdem die Holzverkohlung von einiger Bedeutung.

Der sauerländer Handelsmann also:   Ein Mann auf der Höhe seiner Zeit?  Aber schon 1492?   Also ein Zeitreisender?  

>>> Lesen Sie auch: „300 Jahre Höhendörfer“

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Telefax: (0 27 58) 10 41

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Barfusspfad


600 m Barfußweg mit unterschiedlichen Materialien sowie ein Kneippbecken laden auf dem Rothaarsteig zum Verweilen ein.

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